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Informationen aus der Retinologie

 

Frühgeborenen-Retinopathie


Krankheitsbild

Die Netzhaut entwickelt sich beim Kind im Mutterleib erst sehr spät in der Schwangerschaft. Die Entwicklung der Netzhaut ist normalerweise erst um den Geburtstermin nach 9 Monaten abgeschlossen. In den Wochen davor wird die Netzhaut von einem Gefäßnetz überzogen. Diese Netzhautgefäße entwickeln sich normalerweise bei einem Sauerstoffgehalt im Blut (Sauerstoffpartialdruck) von etwa 30mm Hg. Wenn das Kind nach der Geburt zu atmen beginnt, steigt der Sauerstoffpartialdruck im Blut auf etwa 90 mmHg. Schon die Umstellung von den im Mutterleib üblichen niedrigen Sauerstoffkonzentrationen auf die höheren Konzentrationen in der Atemluft kann die natürliche Gefäßreifung beim Frühgeborenen beeinträchtigen. Wenn das Frühgeborene mit hohen Sauerstoffkonzentration beatmet wird, so steigt der Sauerstoffpartialdruck im Blut auf Werte deutlich über 100 mmHg an. Hohe Sauerstoffkonzentrationen im Netzhautgewebe führen zu einer Blockierung der weiteren Ausreifung des Netzhautgefäßnetzes. Wird nun die erhöhte Sauerstoffzufuhr abgestellt, so melden die noch nicht mit Gefäßen versorgten Netzhautanteile über lokale Botenstoffe einen relativen Sauerstoffmangel an. Dies führt - meist ab, selten vor der 31. Schwangerschaftswoche - zur Ausbildung zahlreicher Gefäßneubildungen am Rand der nicht durchbluteten Netzhaut. Diese Gefäßneubildungen versorgen allerdings nicht die nicht durchblutete Netzhaut, sondern wachsen meist in den Glaskörper hinein, aus ihnen kann es in das Augeninnere bluten, es entstehen Membranen, die sich später zusammenziehen und so die Netzhaut ablösen können. Wenn es beim Frühgeborenen, meist im Alter zwischen der 33. und 37. Schwangerschaftswoche (Gestationsalterwoche), nicht gelingt, diese Entwicklung zu stoppen, so kann sich das Vollbild der Retinopathia praematurorum entwickeln, die retrolentale Fibroplasie.


Behandlungsmöglichkeiten

Die unreife Netzhaut kann selten vor, in der Regel ab der 31. Schwangerschaftswoche überschießende Gefässwucherungen ausbilden. Die kritische Zeit liegt zwischen der 34. und 37. Woche des Gestationsalters (34. – 37. Schwangerschaftswoche). Wenn Veränderungen bis zur 35. Gestationsalterwoche nicht erkennbar sind, ist ein Fortschreiten in eine behandlungsbedürftige Retinopathia praematurorum sehr selten.


Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, die Retinologische Gesellschaft, der Berufsverband für Augenärzte und die Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin beschlossen 1998 / 1999 Leitlinien für augenärztliche Screening-Untersuchungen von Frühgeborenen (Publiziert in: Der Ophthalmologe 1999, 96 : 257 – 263; Der Augenarzt 1999, 33 : 239 – 245; Monatsschrift Kinderheilkunde 1999, 147 : 848 – 854).

Diese Empfehlungen werden zur Zeit überarbeitet und Anfang 2008 neu veröffentlicht.

Nach diesen Screeningempfehlungen ist eine Screening-Untersuchung auf Frühgeborenenretinopathie indiziert bei allen Frühgeborenen mit einem Gestationsalter unter 32 Wochen bzw. einem Geburtsgewicht von unter 1500 Gramm unabhängig von einer zusätzlichen Sauerstoffgabe, sowie bei Frühgeborenen zwischen 32 und 36 Wochen Gestationsalter, wenn postnatal mehr als 3 Tage Sauerstoff gegeben wurde. Die erste augenärztliche Untersuchung sollte in der 6. postnatalen Woche (Lebenstag 36 – 42) erfolgen, aber nicht vor dem postmenstruellen Alter (Gestationsalter) von 31 Wochen.

Die Abstände der Folgeuntersuchungen richten sich nach dem Reifegrad der Netzhaut.


Tritt eine sogenannte Schwellenretinopathie auf (Gefäßneubildungen in der zentralen oder mittelperipheren Netzhaut mit einer bestimmten Ausdehnung zusätzlichen Gefäßveränderungen („Plus-disease“), kann eine Vereisung oder eine Laserbehandlung der äußeren Netzhaut das Risiko der Erblindung senken. Bei weiter fortgeschrittenen Stadien der Frühgeborenenretinopathie mit sich ablösender Netzhaut kommen unter Umständen Operationen zur Netzhautwiederanlage in Frage.


In jüngster Zeit wird alternativ zur Laserbehandlung auch eine Behandlung mit einem sogenannten VEGF-Hemmer durchgeführt. Dabei wird das Wachstumshormon, dass bei der Frühgeborenenretinopathie die krankhaften Gefäßwucherungen auslöst, in deren Folge dann sich auch die Netzhautablösung entwickeln kann, gehemmt. Die Gefäßwucherungen bleiben aus, die übrigen Netzhautgefäße scheinen sich normal weiter zu entwickeln. Offenbar scheint eine einmalige Eingabe dieses Wirkstoffes in den Glaskörper auszureichen. Keiner der in Frage kommenden Wirkstoffe ist für diese Behandlung zugelassen (Avastin® oder Lucentis® oder Macugen® oder Eylea®). Dennoch beginnt diese Behandlung seit 2007 vor allem in lateinamerikanischen Staaten die Laserkoagulation zu ersetzen. Hierzulande ist man mit dieser Behandlung noch zurückhaltend, da bislang nur wenig Erkenntnisse über mögliche Nebenwirkungen oder systemische Effekte vorliegen. Die augenärztlichen Fachgesellschaften haben Ende 2011 neue Behandlungsempfehlungen unter Berücksichtigung der jüngsten Studien herausgegeben.   2011 erschienen die ersten Ergebnisse einer Studie, die die Laserbehandlung und die Behandlung mit einem VEGF-Hemmer nach 1-maliger Behandlung verglich (BEAT-ROP-Studie, Mintz-Hittner HA, et al. (2011) N Engl J Med 364:603–615). Bei Erkrankung der zentralen Netzhaut erwies sich Bevacizumab dabei der Laserkoagulation mit einer Rezidivrate von 6% gegenüber 42% als deutlich überlegen. Bei Erkrankung der periphereren Netzhaut war dagegen statistisch kein Unterschied nachweisbar. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Anti-VEGF-Therapie einen Paradigmenwechsel in der Therapie der ROP einleiten könnte. Eine gute Übersicht zum Erkenntnisstand Ende 2012 bietet eine Artikelserie in der Fachzeitschrift „Der Ophthalmologe“.



eigene Veröffentlichungen zum Thema Frühgeborenen-Retinopathie


Schrader WF (1998) Frühgeborenenretinopathie (Retinopathia praematurorum). In: Fuchs, E. und Zeschitz, M., Fleckerlteppich und Frühförderung. 20 Jahre Frühförderung mehrfachbehinderter sehbehinderter und blinder Kinder in Bayern. Edition Bentheim, Würzburg



Zuletzt aktualisiert am 24.1.2014

Retinopathia praematurorum

24.01.14

Bei sehr unreif geborenen Kindern kann sich - in der Regel zwischen der 33. und der 37. Gestations-alterwoche - eine Gefäßneubil-dung auf der Netzhaut entwickeln, die unbehandelt bis zur Erblindung führen kann


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